Was ist dran am Mikrobiom? Allheilmittel oder alles nutzloser Hype?
Veröffentlicht am 07.04.2024
Autor: Dr.-Ing. Henning Rosenfeld
Das Darm-Mikrobiom (oder umgangssprachlich die Darmflora) erhält immer öfter Einzug in die Medien. Damit sind nicht nur die fachspezifischen Medien gemeint, wo regelmäßig neueste Forschungsergebnisse publizieren werden, sondern auch die fachfremde, öffentliche Presse und das Internet nehmen sich immer öfter dem Thema an. Ein großer Teil davon fällt leider unter dieses oft zitierte „gefährliche Halbwissen“ und ein weiterer großer Teil der verfügbaren Informationen sind getarnte Marketing-Aktivitäten, um einen zum Kauf irgendeines mehr oder weniger nützlichen Nahrungsergänzungsmittels zu bewegen. Als Folge entstehen jede Menge Missverständnisse und falsche Hoffnungen, was die Gesundheitseffekte über das Mikrobiom angeht. Hauptgrund für die Ungenauigkeiten liegt zum Teil in der Thematik selbst begründet, denn das Darm-Mikrobiom ist die komplexeste Lebensgemeinschaft, die wir kennen. Forschungsergebnisse richtig zu interpretieren ist keine triviale Aufgabe, zumal die meiste Forschung nicht an menschlichen Mikrobiomen gemacht wird, da das Mikrobiom einfach nicht zugänglich ist und zudem auch noch unter Sauerstoffausschluss existieren muss. Eine solche Lebensgemeinschaft von Billionen unterschiedlicher Mikroorganismen mitsamt ihren Interaktionen untereinander zu analysieren, ist selbst mit modernsten analytischen Sequenzierungsmethoden ein fehleranfälliges Unterfangen aber dann noch die Auswirkungen bzw. Gesundheitseffekte auf seinen Wirt (den Menschen) richtig zu interpretieren, wird wohl noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Die Missverständnisse fangen ja schon gleich beim Begriff Darmflora an! Die Bezeichnung geht auf die Anfangszeit zurück und zwar hat man damals gedacht, dass die Ansammlung von Mikroorganismen im Darm zum Pflanzenreich gehören (Flora = Pflanzenwelt). Irgendwie hat sich der Begriff hartnäckig gehalten, obwohl es recht wenig mit der Pflanzenwelt zu tun hat. Damit sind wir schon beim ersten Mythos, den wir aufklären wollen:
1. Die Darmflora besteht aus Bakterien!
Die Begriffe Darmflora und Mikrobiom werden oft synonym verwendet. Streng genommen bezeichnet das Mikrobiom aber alle Mikroorganismen, die auf dem Körper leben – dazu zählen natürlich die Bakterien, aber auch Viren, Pilze und Archaeen (Urbakterien) gehören dazu. Die meisten dieser Mikroorganismen leben im Darm und werden als Darmflora bezeichnet. Wenn wir schon gerade oberlehrerhaft genau sind, können wir auch gleich klarstellen, dass die Mikroorganismen genau genommen nicht IN uns sind, sondern noch außerhalb. Erst wenn sie die Darmwand passieren, sind sie in uns. Deswegen sitzen ja auch 80% unseres Immunsystems im Darm. Es muss alles kontrolliert werden, was in unseren Körper darf und was besser draußen bleiben sollte. Bei der Anzahl von Mikroorganismen hat das Immunsystem damit jede Menge zu tun und löst die Aufgabe in faszinierender Art und Weise. Es kann mit sogenannten dendritischen Zellen in den Darm hineinschauen und kann so zwischen Freund und Feind unterscheiden. Festzuhalten bleibt, dass Bakterien zahlenmäßig überlegener sind als andere Mitbewohner – sie machen rund 98 % der Mikroorganismen aus – und sie sind auch viel besser erforscht (2).
2. Wir schleppen tagtäglich 10 x mehr Bakterienzellen als eigene menschliche Zellen mit uns herum
Das Verhältnis war eine übertriebene Schätzung des Mikrobiologen Thomas Luckey aus dem Jahr 1972. Der 10:1-Mythos hielt sich dann ebenso hartnäckig über die Zeit, wie der Begriff Darmflora. Aber Forscher wären nicht Forscher, wenn sie nicht allem auf den Grund gehen würden und so wurde 2016 festgestellt: Ein Erwachsener Mensch besteht aus rund 30 Billionen menschlichen Zellen. Die Zahl der Bakterien liegt hingegen bei rund 39 Billionen Zellen (das gilt für einen Referenzmensch, der 70 Kilogramm wiegt, 20 bis 30 Jahre alt und 1,70 Meter groß ist). Also liegt das korrigierte Verhältnis, von dem heute ausgegangen wird etwa bei 1:1 (Bakterien : menschlichen Zellen), weil die o.g. Werte doch relativ stark schwanken und für niemanden konstant sind. Im Stuhl befinden sich besonders viele Bakterien – das bedeutet, dass menschliche Zellen nach einem Stuhlgang sogar (vorübergehend) in der Überzahl gegenüber Bakterien sein können(1).
3. Bakterien machen krank
Bakterien haben die Welt schon vor Milliarden von Jahren besiedelt als noch aus menschlicher Sicht lebensfeindliche Bedingungen vorherrschten. Der Mensch und auch die Tiere kamen erst viel, viel später dazu. Jeder, der also auf unserer Erde leben möchte, muss sich zwangsläufig mit den allgegenwärtigen Bakterien arrangieren. Das haben wir getan. Und zwar so perfekt, dass die Symbiose zwischen Mensch und Bakterien zu den größten Erfolgsmodellen in der Natur zählt. Die Bakterien helfen uns beim Verdauen von Speisen, halten den Darm gesund und krankmachende Keime fern. Sie produzieren für uns Hormone, Vitamine und andere essenzielle Botenstoffe. Dafür finden sie bei uns im Darm ideale Lebensbedingungen vor. Aber auch die besten Mikroben können krank machen, wenn sie in zu hohen Konzentrationen am falschen Ort vorkommen. Es ist das natürliche Gleichgewicht, die sogenannte Homöostase (wie so oft!) die uns gesund hält. Das komplizierte Geflecht von Millionen von Arten, die sich gegenseitig beeinflussen, strebt immer ein Gleichgewicht an und reguliert sich selbst. Je mehr Mitwirkende es also in einem Ökosystem gibt, desto stabiler sind diese Wechselwirkungen. Der Mensch braucht die ständige Auseinandersetzung mit den vielen Mikroorganismen, um sein Immunsystem zu trainieren. Deswegen ist auch z. B. übertriebene Sauberkeit hinderlich und macht eher krank, als dass es die meisten Bakterien tun könnten. Das was unter der „Hygiene-Hypothese“ zusammengefasst wird, bezeichnet die Beobachtung, dass Kinder, die im städtischen Raum unter „überhygienischen“ Bedingungen aufwachsen, anfälliger sind und häufiger Allergien und Autoimmunerkrankungen entwickeln, als es Kinder aus ländlichen Gebieten tun, die ständig in Kontakt mit Schmutz und Tieren sind. Das liegt daran, dass ihr Immunsystem nicht ausreichend mit harmlosen Bakterien trainiert wurde und daher schnell überreagiert (7). Studien haben gezeigt, dass ständiges Waschen und Reinigen die gesunde Bakterienflora auf unserer Haut und in unserem Darm zerstört und unserer Umgebung nützliche Bakterien entzieht. Die Corona Maßnahmen haben das noch verschlimmert.
In den letzten Jahrzehnten ging man davon aus, dass die Genetik der wichtigste Faktor für Krankheit oder Gesundheit ist. Mit Blick auf das Mikrobiom wissen wir jetzt, dass die Ernährung die zentrale Rolle spielt, aber auch Bewegung, Stress, Lebensgewohnheiten, Alter und Geschlecht haben einen Einfluss. Das bedeutet, dass du gerade in Sachen Darmgesundheit vieles selbst in die Hand nehmen und deine Darmflora verbessern kannst
4. Es gibt ein ideales, gesundes Modell-Mikrobiom
Ein weiterer weit verbreiteter Irrglaube ist, dass es eine ideale Besiedelung des Darms gibt und dass jeder, der eine ideale Ernährung zu sich nähme, früher oder später zu dem idealen Mikrobiom käme. Hier gibt es mehrere Probleme. Zum einen ist noch keine ideale Zusammensetzung eines Mikrobioms entdeckt worden. Das liegt auch schlichtweg daran, dass, wie eingangs schon erwähnt, die Auswirkungen einzelner Mikroben auf die Gesundheit des Wirts noch nicht genau beziffert werden können. So gibt es z. B. Bakterien, die sich recht passiv in Darm verhalten. Also keine hohe Stoffwechselaktivität besitzen und im Darm eigentlich nur so rumliegen. Man könnte denke, dass es gut wäre, diese durch aktive gute Bakterien zu ersetzen. Jedoch muss man dann feststellen, dass sich die Bakterien als unerlässlich für den Zusammenhalt der gesamten bakteriellen Gemeinschaft herausstellen. Solche und ähnliche Effekte gibt es zuhauf im Mikrobiom. Ganz oft sind Bakterien sowohl mit positiven als auch mit negativen Eigenschaften konnotiert. Da müsste man dann Kompromisse eingehen, je nachdem, was einem wichtiger ist. Man sieht schon: Es wird ziemlich schnell ziemlich komplex, wenn man versucht tausende miteinander interagierende Lebewesen gleichzeitig zu untersuchen. Eines ist jedoch bekannt: Es ist ein vielfältiges Mikrobiom, dass sich positiv auf die persönliche Gesundheit auswirkt.
Nur ein einziges, ideales Mikrobiom gibt es alleine schon wegen der Tatsache nicht, dass sich die menschlichen Mikrobiome aufgrund der Mischung ihrer Darmbakterien schon in drei Hauptgruppen, den Enterotypen, unterteilen lassen, von denen sich nicht sagen lässt, welcher Zusammensetzung besser oder gesünder ist. In jeder der drei Enterotypen dominiert jeweils ein bestimmter Bakterienstamm. Zum Enterotyp 1 zählen Fleischliebhaber, Enterotyp 2 findet man häufig bei Vegetariern und Enterotyp 3 sind die Allesesser. Diese Enterotypen sind im Individuum sehr stabil [3], was bedeutet, dass Veränderungen nur über eine lang andauernde Ernährungsumstellung mit hohem Anteil bestimmter Ballaststoffe und Präbiotika erreicht werden können. Für die medizinische Praxis ergeben sich aus den Enterotypen gewisse Nahrungsempfehlungen und Supplementierungen, je nachdem, wo einen das Mikrobiom z. B. bei der Vitaminproduktion besonders gut oder schlecht unterstützt.
Zu guter Letzt ist es nicht möglich, die persönliche Darmflora auf eine genaue Vorgabe zu trimmen. Die Struktur des Mikrobioms unterliegt immer diversen Einflussfaktoren, wie Sport, Genetik, geographische Herkunft, Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Ernährung etc., die nicht für alle gleichermaßen kontrolliert werden können.
bonaFeel hat nun Möglichkeiten entwickelt, womit sich Mikrobiomänderungen beschleunigen lassen (Link).
[3] Stability of Gut Enterotypes in Korean Monozygotic Twins and Their Association with Biomarkers and Diet. Mi Young Lim et al.: Scientific Reports 4, Article number: 7348, Published 12.2014
5. Das Mikrobiom entscheidet über krank oder gesund
Die Liste der Krankheiten, die mit einem veränderten Mikrobiom einhergehen, wird immer länger. Krankheiten wie Rheuma, Arteriosklerose, Alzheimer (Demenz), Parkinson oder Multiple Sklerose werden in einem Satz mit der Darmflora genannt. Aber sind die Bakterien im Darm wirklich an allem schuld? Das wird zumindest kontrovers diskutiert. Das Problem, dem man sich dabei gegenübersieht, besteht darin, dass die Veränderungen im Mikrobiom entweder krank machen oder nur als Folge der Krankheit auftreten. Es handelt sich hierbei also um die berühmte Henne-oder-Ei-Problematik. Die Darmflora kann bestimmt nicht für alle Krankheiten verantwortlich gemacht werden, eines scheint jedoch sicher: Viele Krankheiten entstehen im Darm und das Mikrobion ist dementsprechend mittel- oder unmittelbar involviert. Und evidenzbasiert kann man feststellen, dass jede Kur bzw. Therapie besser anschlägt, wenn man sich zuerst um den Darm kümmert (was leider nicht in die gängige Praxis der Schulmedizin Einzug erhalten hat). Auch der Mikrobiomtransfer, also das Transplantieren des Mikrobioms von einem gesunden Spender auf einen Kranken, weist gute therapeutische Erfolge auf.
Die Darmbakterien trainieren unser Immunsystem. Studien haben gezeigt, dass die sich entwickelnde Darmflora entscheidend zur Ausbildung unseres Immunsystems beiträgt. Mäuse, die komplett ohne Bakterienflora im Darm aufwachsen, also keimfrei sind, besitzen später beispielsweise nur ein stark unterentwickeltes Immunsystem. Den Effekt kann man nicht stark genug betonen. Darüber hinaus erzeugen Bakterien jede Menge Metabolite (das sind Produkte auf dem bakteriellen Stoffwechsel), die den Darm verlassen und viele gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen. Dazu zählen die kurzkettigen Fettsäuren (engl. Short Chain Fatty Acids – SCFA), Vitamine, Hormone, Neurotransmitter, Bioaktivierung von sek. Pflanzenstoffen, usw. usf. Das Mikrobiom stellt seinem Wirt praktisch eine ganze Apotheke zur Verfügung.
6. Probiotika sind die Lösung
Probiotika sind lebende Bakterien, die in Pulver- oder Kapselform bezogen werden können. Mittlerweile gibt es gute Probiotika, die imstande sind, das Milieu im Darm positiv zu beeinflussen, das Wachstum von Candida oder pathogenen Erregern zu hemmen oder einem Leaky Gut entgegenzuwirken. Einige Probiotika sind vergleichbar mit der Wirkweise eines entzündungshemmenden Medikaments. An probiotischen Stämmen kann nur eine limitierte Anzahl von Bakterien verabreicht werden, nämlich die, die Sauerstoff tolerieren. Dabei handelt sich überwiegend um Lactobacillen und Bifidobakterien, vielleicht noch ein paar Streptococcus oder Bacillus Arten. Viele physiologische Funktionen werden von diesen wenigen Arten einfach nicht abgedeckt, was übermäßige Erwartungen dämpfen sollte. Trotz der Limitierung ist die Flut der angebotenen Probiotika groß. Die Marketing Maschinerie profitorientierter Firmen übertreffen sich mittlerweile gegenseitig, wer das beste Produkt hat und wer die meisten Bakterienstämme in der höchsten Konzentration. Doch das ist nicht zielführend. Zumal die probiotischen Mittel nicht für alle gleich wirken. Dem einen helfen Lactobacillen, während der andere aber nur Bifidobakterien benötigt. Hilfreich wäre da natürlich ein Mikrobiomtest, um vorher sehen zu können, was denn individuell genau fehlt. Deswegen sind die meisten angebotenen Probiotika Allrounder, mit möglichst breiten Indikationsstellungen. Ohne Mikrobiomtest muss man sich an das richtige Produkt ran tasten. Am besten man versucht ein Präparat und wenn man nach 10 Tagen keinen Effekt spürt, kann man es auch gerne wieder absetzen. Die Allrounder können zwar vieles aber auch vieles nicht wirklich gut. Eines scheint jedoch sicher: Probiotika wirken sich während der Einnahme von Antibiotika positiv auf den Darm aus. Obwohl es selbst hier Studien gibt, die über eine gestörte Erholungsphase des Darms durch ein Probiotikum nach Antibiotikaeinnahme berichten (5). Unterm Strich sind immer noch Fragen hinsichtlich der korrekten und sinnvollen Einnahme von Probiotika offen. Beispielsweise wann und wie sich die eingenommenen Bakterien dauerhaft im Darm ansiedeln. Schließlich sind alle Plätze an der Darmwand dicht besetzt und das ist ja schließlich das Argument, dass krankmachende Keime ferngehalten werden. Unterm Strich lässt sich feststellen, dass Studien zu positiven Wirkung von Probiotika in der wissenschaftlichen Literatur überwiegen. Probiotika können Verbesserungen beispielsweise bei Depressionen, Konzentrationsschwäche und Reizdarmsyndrom bewirken. In einigen Situationen ist jedoch die Studienlage unzureichend und es können daher keine Schlussfolgerungen gezogen werden (6). Der Vorteil ist: Die Produkte gelten allgemeinhin als sicher und können bei Nichtwirksamkeit jederzeit abgesetzt werden. Vielleicht werden personalisierte Probiotika das Mittel der Wahl in der Zukunft sein. Aber auch das ist für die Praxis der Schulmedizin leider noch nicht absehbar.
7. Ballaststoffe sind die Lösung
Alles, was im Darm ankommt, hat direkten Einfluss auf das Mikrobiom. Für Ballaststoffe besitzt der Mensch keine Verdauungsenzyme und somit kommen sie unverdaut im Dickdarm (letzte Stufe der Verdauung) zu dem Mikrobiom an. Ballaststoffe sind ausnahmslos Poly- oder Oligosaccharide (das sind die guten Zucker und Zuckerderivate!). Die gängigsten sind resistente Stärke, Fruktooligosaccaride, Galactooligosaccharide, Xylooligosaccharide, Arabinoxylooligosaccharide, Inulin und Akazienfasern als besonders gut verträgliche Ballaststoffe. Bakterien mit ihrer vielfach höheren genetischen Ausstattung können diese bestens verdauen, woraus diverse gesundheitsfördernde Effekte für den Menschen entstehen. Die DGE empfiehlt 30 g Ballaststoffe pro Tag. Das mag für einen gesunden Menschen ausreichend sein aber wenn sich ein Mikrobiom erstmal im Ungleichgewicht befindet ist das nicht ausreichend. Eine Umstellung der Ballaststoffmenge in der Ernährung für nur zehn Tage lässt sich schnell und deutlich am Mikrobiom erkennen [13]. Doch sobald diese Umstellung endet, kehrt das „alte“ Mikrobiom allerdings wieder zurück, die langfristigen Auswirkungen sind minimal. Erfahren Sie mehr über beschleunigte Mikrobiomumstellungen. Aber VORSICHT: Bei Menschen mit Bauchproblemen, wie dem Reizdarmsyndrom oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, können Ballaststoffe die Probleme jedoch verschlimmern. Beschwerden wie Durchfall und Bauchschmerzen sind hier die Hauptsymptome. Schwer verdauliche Kost – also mit vielen Ballaststoffen – ist hier kontraproduktiv. In dem Fall kann eine vorgeschaltete richtig durchgeführte Darmkur die Probleme beheben.
8. Antibiotika sind immer schlecht für den Darm
In Anbetracht der steigenden Gefahr durch Antibiotikaresistenzen sollten Erkrankungen nicht auf Verdacht mit Antibiotika behandelt werden. Zum verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika gehört daher der vorhergehende Nachweis, dass tatsächlich eine bakterielle Infektion vorliegt und dass diese nicht anders bekämpft werden kann, auch wenn die Genesungsphase dann möglicherweise länger dauert. Mikrobiologische Methoden, bei denen die Erreger auf Nährmedien angezüchtet werden, nehmen jedoch viel Zeit in Anspruch, was der Praxisalltag vieler Ärzte leider nicht zulässt. Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionen geraten dadurch zunehmend in Verruf. Antibiotika töten nicht nur die krankmachenden Bakterien ab, sondern auch die Darmbakterien. Manchmal ist das sogar gewollt. Bei hartnäckigen Dysbiosen ist eine Antibiose mit anschließendem Darmaufbau, das Mittel der Wahl. Bei einer Verschreibung besteht grundsätzlich erstmal kein Grund zur Panik. Nur wenn Antibiotika zu lange und zu häufig eingesetzt werden, kann die Darmflora langfristig schaden nehmen. Ein empirischer Richtwert besagt: Wer bis zum 18. Lebensjahr mehr als 7 Antibiotika Kuren verabreicht bekommen hat, kann dazu eine chronisch entzündliche Darmerkrankung entwickeln. Fazit: Antibiotika nicht verteufeln, sondern mit Vorsicht einsetzen (4)!
FAZIT: Ist das Mikrobiom nun Allheilmittel oder nutzloser Hype? Die Wahrheit liegt wieder einmal irgendwo in der Mitte. Die Problematik beim Mikrobiom besteht zum einen in dem Henne-Ei-Problem und zum anderen, dass selten Kausalitäten bestehen. Man kann halt noch nicht von bestimmten Bakterienzusammensetzungen auf Krankheiten oder bevorstehende Krankheiten schließen und eine zusätzliche Schwierigkeit besteht darin, dass das System individuell und äußerst flexibel ist. Dagegen stehen die vielen Erfolge der evidenzbasierten Medizin. Wenn man den Darm behandelt und Dysbiosen behebt, verbessern sich therapeutische Erfolge. Die ganze Sparte der funktionellen Medizin behandelt immer zuerst den Darm und kommt so ohne jegliche Medikamente aus und das bei Leuten, die von der Schulmedizin keine Hilfe mehr zu erwarten haben. Trotzdem es keine Kausalitäten gibt, existieren immerhin Korrelationen. Und Korrelationen von 80% oder 90% sind ein gutes Argument, Mikrobiomentwicklungen weiter zu erforschen.
bonaFeel bekennt sich als Mikrobiombefürworter und treibt selber zielgerichtete Forschung für die Mikrobiom und Darmgesundheit voran. An dieser Stelle werden neueste Erkenntnisse aus der Mikrobiomforschung dargestellt.
Referenzen
- Sender, R., Fuchs, S. &Milo, R. Preprint on bioRxiv http://dx.doi.org/10.1101/036103 (2015).
- Abbott, A. Scientists bust myth that our bodies have more bacteria than human cels. Nature doi:10.1038/nature.2016.1913
- Qin J, Li R, Raes J, et al. A human gut microbial gene catalogue established by metagenomics sequencing. Nature. 2010; 464(7285):59-65.
- Rothschild D,Weissbrod O, Barkan E, et al. Nature.2018.
- Cox LM, Blaser MJ. Nat Rev Endocrinol. 2015;11(3):182-90.
- Suez J, Zmora N, Zilberman-schapira G, et al. Cell. 2018;174(6):1406-1423.e16.
- Shen NT, Maw A, Tmanova LL, et al. Gastroenterology. 2017;152(8):1889-1900.e9.
- Vandegrift R, Bateman AC, Siemens KN, et al. Microbiome. 2017;5(1):76.
- Song SJ, Lauber C, Costello EK, et al. Elife. 2013;2:e00458.